Eigenstromanlagen planen, betreiben und zukunftssicher gestalten
Eigenstromversorgungsanlagen (KG 442) bilden das Rückgrat der Sicherheitsinfrastruktur in Gebäuden und Anlagen, indem sie bei Ausfall des öffentlichen Stromnetzes kritische Verbraucher zuverlässig versorgen. Von der Planung über die Errichtung bis zum Betrieb ist ein eng abgestimmtes Vorgehen zwischen Fachplanern, Betreibern, Brandschutzgutachtern und Behörden erforderlich. Die zentrale Rolle der batteriebetriebenen Sicherheitsstromversorgung (SSV) zeigt sich vor allem für Hebeanlagen, Hydranten und sensible Bereiche wie Kühl- und Lüftungstechnik, da hier Ausfallsicherheit zwingend erforderlich ist. Eine sorgfältige Dimensionierung, konsequente Wartung und regelmäßige Tests stellen sicher, dass die Anlage im Ernstfall ihre Aufgabe erfüllt und Personen- sowie Sachschäden vermieden werden. Mit Blick auf zukunftssichere und energieeffiziente Lösungen sollten Planer und Betreiber zudem mögliche Erweiterungen (z. B. durch PV-Anlagen, BHKW) und technische Trends (Lithium-Ionen-Speicher, intelligentes Lastmanagement) in ihre Konzepte einbeziehen, um langfristig einen optimalen, wirtschaftlichen und sicheren Betrieb zu gewährleisten.
Sicherheitsstromversorgung nach KG 442 zuverlässig umsetzen
Viele technische und sicherheitsrelevante Komponenten (z. B. Brandmeldeanlagen, Beleuchtung von Flucht- und Rettungswegen, Sicherheits- und IT-Anlagen) dürfen nicht ausfallen, um Personen zu schützen und Sachwerte zu erhalten.
Auch in Produktions- und Servicebereichen (z. B. bei Datenzentren, Labors, Leitwarten) ist eine unterbrechungsfreie Versorgung essenziell.
Gesetzliche und normative Anforderungen
Landesbauordnungen, Sonderbauverordnungen und VDE-Vorschriften definieren Mindeststandards für Sicherheitsstromversorgungen.
Spezifische Normen (z. B. DIN VDE 0100-560, DIN VDE 0100-710 für Medizinbereiche, DIN EN 50171 für zentrale Stromversorgungssysteme, DIN EN 50172 für Notbeleuchtung) regeln Auslegung und Betrieb solcher Anlagen.
Anwendungsbeispiele
SSV-Anlagen für haustechnische Komponenten wie Hebeanlagen, Hydrantenanlagen oder Küchentechnik.
NEA-Anlagen (Notstromaggregate) für größere Leistungsanforderungen (z. B. Aufzüge, Lüftungs- und Pumpenanlagen, Medizin- oder Rechenzentrumstechnik).
USV-Anlagen (unterbrechungsfreie Stromversorgung) für kurze Überbrückungszeiten oder hochsensible Geräte, bis ein NEA automatisch zugeschaltet wird.
Notstromaggregate (NEA)
Meist Diesel- oder Gasmotoren, die über einen Generator elektrische Energie bereitstellen.
Benötigen eine Anlaufzeit (typischerweise wenige Sekunden bis Minuten) und eignen sich für den langfristigen Betrieb bei Netzausfall.
Erfordern Kraftstoffbevorratung (Tankanlage), Abgasführung und Schallschutzmaßnahmen.
Sicherheitsstromversorgung (SSV)
Dient der Versorgung spezieller Sicherheitslasten (z. B. Brandmeldetechnik, Rauch- und Wärmeabzugsanlagen, Sicherheitsbeleuchtung).
Häufig als batteriebetriebene Anlagen konzipiert (Zentrale Batterieanlage gemäß DIN EN 50171).
Schaltet bei Netzausfall automatisch auf Batteriebetrieb, sodass wichtige Systeme sofort und über eine definierte Zeit weiterlaufen.
Unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV)
Kurzzeitige Stromquelle auf Basis von Batterien oder Kondensatorspeichern, die nahezu verzögerungsfrei auf Ausfälle oder Schwankungen im Netz reagiert.
Häufig in Rechenzentren oder medizinischen Bereichen, um Ausfälle sensibler Geräte zu vermeiden.
Kombinierte Lösungen (z. B. USV + NEA)
USV überbrückt die Zeitspanne, bis das Notstromaggregat hochgefahren ist.
Ermöglicht sowohl einen unterbrechungsfreien Übergang als auch längere Betriebszeiten im Inselbetrieb.
Leistungs- und Kapazitätsbedarf
Zunächst sind alle notstromrelevanten Verbraucher zu ermitteln und zu priorisieren (essenzielle vs. nicht-essenzielle Lasten).
Berücksichtigung von Anlaufströmen (Motoren, Pumpen), kurzzeitigen Spitzenlasten und möglicher Redundanz.
Normen und Richtlinien
DIN VDE 0100-560: Errichten von Niederspannungsanlagen für Sicherheitszwecke.
DIN EN 50171: Anforderungen an zentrale Batteriesysteme.
DIN EN 50172: Notbeleuchtungssysteme.
Brandschutz- und Leitungsanlagenrichtlinie (LAR): Funktionserhalt von Kabeln (E30/E90), Brandabschnitte, Abschottungen.
Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV), BetrSichV: Zusätzliche Anforderungen für Betriebssicherheit in Arbeitsstätten.
Ausreichende Platz- und Klimaanforderungen für Aggregate, Batterien und Schaltanlagen.
Gasführung und Schallschutz (bei Diesel-NEA) sowie Lüftung (insbesondere in Batterieräumen, wegen möglicher Gasbildung).
Kritische Verbraucher
Hebeanlagen (Abwasserhebeanlagen, Druckerhöhungsanlagen) dürfen bei Stromausfall nicht ausfallen, um Überflutungen oder Störungen des Abwassersystems zu vermeiden.
Hydranten oder Löschwasserversorgungen müssen funktionsfähig bleiben, um den Brandschutz sicherzustellen.
Küchentechnik: Vor allem Kühl- und Gefrieranlagen oder Lüftungen. Ob Koch- und Gargeräte versorgt werden müssen, ist projektspezifisch zu prüfen.
Auslegung der Batteriekapazität
Dimensionierung entsprechend Autonomiezeit (z. B. 30 Min., 1 Std. oder mehrere Stunden).
Anlaufströme für Pumpen und Motoren berücksichtigen, damit die Wechselrichter ausreichend dimensioniert sind.
Falls gefordert, Redundanz (N+1) oder Modularität vorsehen, damit bei Teilausfall eines Batterieblocks die Gesamtanlage nicht komplett ausfällt.
Spezieller Brandschutz in Batterieräumen
Lüftung und Gasüberwachung bei Bleibatterien (Knallgasbildung).
Brandfrüherkennung und ggf. besondere Löschkonzepte bei Lithium-Ionen-Systemen.
Trennung von benachbarten Räumen (F90-Bauteile, feuerbeständige Türen).
Integration in Gebäudeleittechnik (GLT)
Ein Batterie-Management-System (BMS) überwacht Ladezustand, Temperatur und meldet frühzeitig Störungen.
Automatische Umschalt- und Meldetechnik in das Facility Management integrieren, damit der Betreiber bei Störfällen sofort reagieren kann.
Regelmäßige Funktions- und Kapazitätstests
Probeläufe bei Notstrom-Dieselaggregaten (z. B. monatlich oder vierteljährlich) unter Last.
Bei Dieselaggregaten Kraftstoffqualität prüfen (Alterung, Kondenswasserbildung).
Selektivität und Lastmanagement
Geeignetes Sicherungs- und Schaltkonzept, damit bei Fehlern nur betroffene Stromkreise abgeschaltet werden.
Lastabwurfstrategien: Nicht-essenzielle Verbraucher können im Notbetrieb automatisch abgekappt werden, um die Batterielaufzeit für kritische Verbraucher zu verlängern.
Photovoltaik (PV)
Inselbetriebsfähige PV-Anlagen können die Batterie laden und so die Autonomiezeit verlängern.
Erfordert spezielle Wechselrichter und Schaltgeräte, um sicher vom öffentlichen Netz zu trennen.
Blockheizkraftwerke (BHKW)
KWK-Anlagen können ebenfalls für Notstrombetrieb ausgelegt sein, sofern eine Inselbetriebsregelung vorhanden ist.
Höherer Planungsaufwand und zusätzliche Redundanzanforderungen.
Investitions- und Betriebskosten
Anschaffungskosten für Batterien oder Dieselaggregate können hoch sein, die laufenden Kosten sind jedoch ebenfalls zu berücksichtigen (Kraftstoff, Wartung, Batterieersatz).
Förderprogramme (z. B. für dezentrale Speicher) können die Investitionskosten verringern.
Skalierbarkeit und Reserven
Vorausschauende Planung, ob Gebäude- oder Prozessanbauten in Zukunft höhere Leistungen fordern.
Modular aufgebaute Systeme ermöglichen eine nachträgliche Erweiterung.
Technologiewahl
Klassische Blei-/AGM-Batterien sind kostengünstiger und robust, aber schwer und erfordern mehr Raum.
Lithium-Ionen-Batterien bieten höhere Energiedichte, längere Lebensdauer, aber strengere Brandschutzauflagen.