Dezentrale Energieerzeugungsanlagen: Mustergefährdungsbeurteilung
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Mustergefährdungsbeurteilung zur dezentralen Energieerzeugung
Die Nutzung dezentraler Energieerzeugung mittels Photovoltaik und Batteriespeichern birgt vielfältige Chancen (Energiekostensenkung, Nachhaltigkeit, Versorgungssicherheit), ist jedoch auch mit spezifischen Risiken behaftet. Durch eine umfassende Gefährdungsbeurteilung, klare Organisations- und Verantwortungsstrukturen sowie konsequente technische, organisatorische und personenbezogene Maßnahmen lassen sich diese Gefahren minimieren.
Die vorliegende Mustergefährdungsbeurteilung zeigt die wesentlichen Aspekte auf. In der Praxis ist eine regelmäßige Aktualisierung erforderlich, insbesondere bei Änderungen an der Anlage, neuen rechtlichen Bestimmungen oder Erkenntnissen aus Vorfällen (Beinaheunfällen, Unfällen). Zudem ist die effektive Zusammenarbeit mit dem externen Service Provider zentral, um sicherzustellen, dass alle Prüf- und Wartungsintervalle eingehalten sowie mögliche Störungen oder Gefahren unverzüglich erkannt und abgestellt werden.
Nur durch den kontinuierlichen Verbesserungsprozess und die Einbindung aller Beteiligten (Führungskräfte, Mitarbeitende, externe Dienstleister, Fachkräfte für Arbeitssicherheit) bleibt die dezentrale Energieerzeugung sicher, effizient und rechtskonform.
Sicherheit in der dezentralen Energieerzeugung gewährleisten
- Zielsetzung
- Rechtliche
- Rahmenbedingungen
- Gefährdungsermittlung
- Risikobewertung
- Maßnahmenkatalog
- Schnittstellenmanagement
- Berichterstattung
- Beispielformblatt
Zielsetzung und Grundlage
Die vorliegende Gefährdungsbeurteilung hat das Ziel, alle relevanten Gefährdungen und Risiken im Zusammenhang mit der Planung, Errichtung, Inbetriebnahme, Wartung und dem Betrieb von dezentralen Photovoltaikanlagen und stationären Batteriespeichern in einem großen Industrieunternehmen zu erfassen. Dabei sollen geeignete technische, organisatorische und personenbezogene Schutzmaßnahmen abgeleitet und überprüft werden.
Rahmenbedingungen:
Standort: Deutschland
Unternehmen: Industriebranche, etwa 2000 Mitarbeitende
System: PV-Anlagen auf Hallendächern und/oder Freiflächen, stationäre Batteriespeicher (z. B. Lithium-Ionen-Batterien oder Blei-Akkumulatoren)
Organisationsstruktur: Externer Service Provider im Rahmen eines Total Technical Service Vertrags (TTS-Vertrag), gesteuert durch den Betreiber
Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)
Verpflichtet den Arbeitgeber zur Ermittlung und Beurteilung von Gefährdungen sowie zur Umsetzung von Arbeitsschutzmaßnahmen.
Übergeordnete Grundlage für alle Aktivitäten im Arbeitsschutz.
Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV)
Regelt die sichere Bereitstellung und Benutzung von Arbeitsmitteln (inklusive elektrischer Anlagen wie PV und Batteriespeicher).
Forderung regelmäßiger Prüfungen durch befähigte Personen.
DGUV Vorschriften und Regeln
Insbesondere DGUV Vorschrift 1 (Grundsätze der Prävention) und DGUV Vorschrift 3 (Elektrische Anlagen und Betriebsmittel).
Vorgaben für Prüfpflichten, Qualifikationen, Dokumentation.
Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) und Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)
Rahmenbedingungen für die Erzeugung und Einspeisung elektrischer Energie.
Betreiberverantwortung, Netzanschlussanforderungen, Vergütungs- und Abrechnungsthemen.
Total Technical Service Vertrag (TTS-Vertrag)
Der Service Provider übernimmt Wartung, Überwachung und Instandhaltung.
Schriftliche Regelung zu Verantwortlichkeiten, Meldeketten und Dokumentationspflichten.
Koordination und Kontrolle durch den Betreiber (z. B. Fachabteilung Energie oder Facility Management).
Interne Zuständigkeiten
Geschäftsführung: Gesamtverantwortung, Ressourcenbereitstellung.
Fachkraft für Arbeitssicherheit: Beratung, Prüfung, Erstellung und Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung.
Abteilungsleiter Technik/Energie: Steuerung des Service Providers, Einhaltung aller technischen Standards.
Instandhaltung/Technischer Dienst: Schnittstelle zu externen Firmen, Durchführung von Kontrollen, Unterstützung im Störfall.
Elektrische Gefährdung:
Hochspannung in PV-Strängen (Gleichspannung) sowie am Batteriespeicher (oft mehrere 100 V DC).
Fehlerhafte Isolation, Kurzschlüsse und mögliche Störlichtbögen.
Brand- und Explosionsgefahr:
Gefahr durch thermisches Durchgehen von Batterien (bes. Lithium-Ionen).
Möglichkeit von Knallgasbildung bei Blei-Akkus (Wasserstoff).
Lichtbögen und Überlastungen können Brände auslösen.
Chemische Gefährdungen:
Austreten von Batteriesäuren oder -elektrolyten, gesundheitsschädliche Dämpfe bei Schäden.
Mechanische Gefährdungen:
Stolper-, Rutsch- und Sturzgefahren in Anlagenbereichen.
Arbeiten auf Dächern (Absturzgefahr).
Heben und Transport schwerer Module oder Batterien.
Organisatorische Defizite:
Unklare Zuständigkeiten (Betreiber vs. Service Provider).
Unzureichende Unterweisungen und Schulungen.
Fehlende Notfallkonzepte oder Kommunikation.
Risikobewertung (Beispiel-Risikomatrix)
Die Bewertung erfolgt auf Basis der Eintrittswahrscheinlichkeit (W) und der Schwere (S) möglicher Schäden.
Typische Risikoeinstufungen
Gefährdung | W | S | RZ | Bewertung |
---|---|---|---|---|
Elektrischer Schlag (Arbeiten an PV/ Batterie) | 2 | 3 | 6 | Hoch |
Brand/Explosion bei Batterie (Thermal Runaway, Knallgas) | 2 | 3 | 6 | Hoch |
Brand/Explosion bei Batterie (Thermal Runaway, Knallgas) | 2 | 3 | 6 | Hoch |
Brand/Explosion bei Batterie (Thermal Runaway, Knallgas) | 2 | 2 | 4 | Mittel/hoch |
Stolper- und Rutschgefahr (unsortierte Kabel, feuchter Boden) | 2 | 1 | 2 | Niedrig/mittel |
Maßnahmenkatalog (TOP-Prinzip)
Die Schutzmaßnahmen werden in technische, organisatorische und personenbezogene Maßnahmen unterteilt.
Technische Maßnahmen
PV-Anlagen: Installation von Trennschaltern/Notausschaltern (Rapid Shutdown), Überspannungsableitern.
Blitzschutz- und Erdungsmaßnahmen gemäß VDE-Bestimmungen.
Brandschutzkonzept (feuerhemmende Kabelführung, geprüfte Materialien).
Batteriespeicher.
Brandmeldeanlage im Batterieraum, ggf. automatische Löschsysteme (Inertgas, Aerosollöschung etc.).
Temperatur- und Gasüberwachung (z. B. Wasserstoffsensoren bei Blei-Akkus).
Sicherer Aufbau: BMS (Batteriemanagement), Unterbringung in separaten, ausreichend belüfteten Räumen.
Allgemeine Stromversorgung
Einsatz von Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCD) und Leitungsschutzschaltern.
Kennzeichnung aller Leitungen und Schaltschränke nach gültigen DIN/VDE-Regeln.
Arbeiten in der Höhe
Feste Anschlagpunkte, Lifeline-Systeme, Geländer oder Schutznetze, sofern möglich.
Rutschfeste Laufwege, Abdeckung empfindlicher Dachpartien (Lichtkuppeln).
Mechanische Arbeitshilfen
Nutzung von Hebezeugen, Gabelstaplern oder Rollwagen beim Batterietransport.
Ausreichende Beleuchtung in Technikräumen.
Organisatorische Maßnahmen
Vertragsgestaltung Service Provider:Eindeutige Regelung der Prüf- und Wartungsintervalle im TTS-Vertrag.
Festlegung von Meldewegen (z. B. bei Störungen, Unfällen, Wartungsbedarf).
Verpflichtung zur Dokumentation (Wartungsberichte, Prüfprotokolle).
Arbeits- und Betriebsanweisungen
Schriftliche Unterweisungen zu spezifischen Gefahren (elektrische Spannungen, Batteriesäure).
Erstellen von Checklisten für Wartung, Fehlersuche, Notfälle.
Prüf- und Wartungskonzept
Regelmäßige Prüfungen (z. B. DGUV V3 für elektrische Anlagen).
Jahresinspektionen durch Fachfirmen, Sichtkontrollen in kürzeren Intervallen.
Dokumentation in einem Wartungsplan (ggf. elektronisch).
Notfallpläne
Brandschutz- und Evakuierungskonzept, inkl. Fire-SOP (Standard Operating Procedures).
Ersthelfer-Ausbildung, Rettungswege und Sammelplätze klar definieren.
Alarmkette: Betreiber, Service Provider, Feuerwehr, ggf. Behörden.
Qualifikation und Freigaben
Arbeiten an elektrischen Anlagen nur durch Elektrofachkräfte.
Dacharbeiten mit Absturzgefahr nur durch geschultes Personal (G41-Untersuchung).
Freischaltregeln strikt anwenden (5 Sicherheitsregeln der Elektrotechnik).
Personenbezogene Maßnahmen
PSA (Persönliche Schutzausrüstung): Elektriker-Schutzkleidung (isolierende Handschuhe, ggf. Lichtbogenschutz).
Säuresichere Handschuhe, Schutzbrille/Gesichtsschutz bei Batteriearbeiten.
Absturzsicherung (Auffanggurt, Falldämpfer, Verbindungsmittel) bei Dacharbeiten.
Schnittstellenmanagement mit dem Service Provider
Klare Verantwortungsabgrenzung: Betreiber behält die Betreiberpflichten, Service Provider übernimmt definierte Wartungsleistungen und Dokumentationspflichten.
Regelmäßiger Informationsaustausch: Monatliche und jährliche Meetings, Protokollierung von Wartungs- und Prüfleistungen.
Koordinierung der Arbeitsschutzmaßnahmen: Service Provider erhält alle relevanten Sicherheitsvorschriften, Betriebsanweisungen und Notfallpläne.
Kontrolle und Auditierung: Betreiber führt regelmäßige Audits durch, prüft Einhaltung der Sicherheits- und Qualitätsstandards.
Gefährdungsbeurteilung
Muss schriftlich vorliegen und bei Bedarf (z. B. Anlagenänderungen) aktualisiert werden.
Zugang für alle relevanten Führungskräfte, Fachkräfte und Sicherheitsbeauftragte.
Formblätter
Für jede Tätigkeit (z. B. Dachmontage, Batteriewartung) eigenes Formblatt mit Tätigkeitsbeschreibung, Risikoeinschätzung, Maßnahmen und Verantwortlichkeiten.
Prüf- und Wartungsprotokolle
Elektrische Prüfungen (DGUV V3), regelmäßige Sichtkontrollen, Funktionsprüfungen von Brandmelde- und Löschanlagen.
Tätigkeit: Wartungsarbeiten an PV-Anlage auf Hallendach
Gefährdungen
Elektrischer Schlag am DC-Strang.
Absturz vom Dach.
Verletzung durch herabfallende Werkzeuge.
Risikobewertung (vereinfacht)
Nr. | Gefahr | W | S | RZ | Einstufung |
---|---|---|---|---|---|
1 | Kontakt mit DC-Leitungen | 2 | 3 | 6 | Hoch |
2 | Absturz vom Dach | 2 | 3 | 6 | Hoch |
Maßnahmen
Nr. | Maßnahme | Verantwortlich | Termin | Status |
---|---|---|---|---|
1 | Anlage freischalten, Spannungsfreiheit prüfen, absichern | Elektrofachkraft | vor jedem Einsatz | offen |
2 | Dachzugang nur mit PSA gegen Absturz und 2-Personen-Regel | Wartungsteam, Leiter Energie | sofort | laufend |
3 | Abstellen oder Sichern von Werkzeugen, Nutzung von Werkzeugtaschen | Wartungsteam | sofort | laufend |